»Ein treuer Freund ist nicht mit Geld oder Gut zu bezahlen, und sein Wert ist nicht hoch genug zu schätzen. Ein treuer Freund ist ein Trost im Leben.«
Jesus Sirach (Apokryphen)
Like you! Freundschaft digital & analog
Ausstellung vom 27. September 2019 bis 9. August 2020 im Museum für Kommunikation Berlin
Was ist Freundschaft? Eine Frage, auf die es viele Antworten gibt – in Literatur, Geschichte und Forschung, vor allem aber aus der eigenen Lebenserfahrung. Das Bedürfnis nach freundschaftlicher Nähe kennen fast alle Menschen, denn in Beziehungen zu anderen finden wir Anregung, Bestätigung und manchmal auch Hilfe in der Not. Freunde helfen dabei, die eigene Persönlichkeit zu entwickeln. Mit Freunden teilen wir Probleme und Freuden, Krisen und Höhepunkte im Leben. Durch die Digitalisierung ist unsere Kommunikation viel einfacher, schneller und intensiver geworden, gerade auch mit Freunden und Freundinnen. Das ist schön, aber manchmal auch anstrengend. In sozialen Medien haben Menschen manchmal weit über hundert “Freunde” – aber wissen sie noch, wer die wirklichen Freunde im richtigen Leben sind? Die Ausstellung “Like you! Freundschaft digital & analog” fragt die Besucherinnen und Besucher nach ihren Vorstellungen und ganz eigenen Erfahrungen mit dem Thema Freundschaft – damals und heute.
Freundschaften miteinander einzugehen ist ein non-verbaler, fast geheimnisvoller Akt. Was passiert dabei? Und wo? Wie lernen und verinnerlichen wir die Spielregeln? Wen wählen wir als Freund oder Freundin? Und warum?
Freundschaft – was ist das eigentlich?
Kontakte zu anderen Menschen haben wir viele. In der Schule, im Sportverein, am Arbeitsplatz, in der Nachbarschaft oder auch in der digitalen Welt. Wann wird daraus Freundschaft? Dazu ist eine besondere Nähe nötig, wie es sie sonst nur innerhalb der Familie oder mit dem Partner gibt.
»Freunde sind Menschen, die uns wirklich kennen und trotzdem mögen!«
Freunde treffen – aber wo?
Im Mittelpunkt der meisten Freundschaften stehen gemeinsame Erlebnisse. Sich treffen, etwas zusammen unternehmen, Spaß haben und sich über das austauschen, was einen gerade beschäftigt. Kurz: sich gegenseitig über den eigenen Platz in der Welt verständigen. Im 18. Jahrhundert wurde dies alles mit dem Begriff der Geselligkeit beschrieben. Die Orte, an denen man sich trifft und das, was man dort tut, wechseln mit gesellschaftlichen Entwicklungen und Moden. So trafen sich junge Menschen in den fünfziger Jahren gerne in der Tanzstunde, in den achtziger Jahren vielleicht eher am Baggersee. Und heute? Wo sind die Plätze, an denen wir uns treffen?
Können Männer und Frauen Freunde sein?
2011 stellt der youtuber patvicious1 ein Video online, in dem er ein Dutzend seiner Kommilitonen von der Utah State University auf dem Weg zur Bibliothek mit der heiklen Frage konfrontiert: “Können Frauen und Männer Freunde sein?” Zuerst die Frauen. Sie sagen alle: “Ja, natürlich, klar!” Dann die Männer, verdruckst: “Ähm, also. Ich glaube nicht.” Man sei nun einmal Mann, man habe seine Gefühle, da sei nichts zu machen. Auf dem Rückweg fragt der Filmemacher dann noch einmal bei den Frauen nach, wie viele ihrer männlichen Freunde wohl insgeheim gern mit ihnen etwas anfangen würden. “Na ja, so gesehen: Alle.” Dem Studenten bleibt nur eine Schlussfolgerung:
“Männer und Frauen können nicht befreundet sein.”
Aber stimmt das wirklich?
Seit dem Uplaod wurde das Video über 12 Millionen mal angeklickt und in den fast 30.000 Kommentaren darunter diskutieren Userinnen und User, die Frage, wo Freundschaft aufhört und Liebe beginnt.
Freunde finden im Netz?
Finden Jugendliche heute im Netz, auf Facebook und Co., schneller und mehr Freunde? Und sind das echte Freunde? Bietet das Netz Chancen für die Schüchternen, die sich hier leichter mitteilen können oder tritt es an die Stelle echter Beziehungen, die persönliche Begegnungen brauchen? Die meisten jungen Menschen sind heute Kommunikationsprofis. Was sie gerade machen oder erleben, was sie denken oder meinen – alles findet (auch) im Netz statt und wird dort mit Freundinnen und Freunden geteilt. Instant-Messaging-Dienste wie Instagram, WhatsApp oder Snapchat ermöglichen es, Fotos, Texte, Videos oder andere Medien hochzuladen, zu kommentieren und so im ständigen Austausch miteinander zu bleiben. Man teilt in hoher Dichte und Geschwindigkeit Einblicke in die eigene Lebenssituation oder zeigt, wie man gerne leben oder sein möchte. Sind das nur neue Möglichkeiten, in Kontakt zu sein, oder verändern sich dadurch unsere Beziehungen? Erste Untersuchungen kommen zu gegensätzlichen Ergebnissen.
Frauen- und Männerfreundschaften
Freudinnen reden, Freunde gucken lieber Fußball – stimmen diese Klischees? Sind Männer eher durch gemeinsame Aktivitäten wie Sport oder Hobbys verbunden (side-by-side), während Frauen sich mehr für Gespräche und persönlichen Austausch interessieren (facetoface)? Weil ihre Beziehungen als intimer und vertrauter wahrgenommen werden, gelten Frauen oft als das freundschaftsfähigere Geschlecht.
Kinderfreundschaften
Während des Lebens gibt es unterschiedliche Freundschaftskonzepte, vom einfachen Beieinandersein bis hin zu engen Bindungen, die einen intensiven Austausch über die eigenen Gefühle und Vorstellungen umfassen. Vor allem im Kindes- und Jugendalter helfen Freundschaften dabei, herauszubekommen, wer man eigentlich ist – gerade auch durch Reibung oder Auseinandersetzungen.
Familie, Freunde oder beides?
Heute gibt es mehr Single-Haushalte, Alleinerziehende, Patchworkfamilien und Kinderlose als in früheren Zeiten. Freunde werden daher manchmal zu Wahlverwandten: Zusammen feiert man Feste, hilft sich bei Problemen, wird gemeinsam alt. Aber sind Freunde in Krisensituationen oder bei Krankheit ähnlich belastbar wie die Familie? Kann ein großes Freundesnetz sogar mehr auffangen als einzelne Familienangehörige?
Interkulturelle Kommunikation
Gesten und Gebärden haben in den verschiedenen Regionen der Welt sehr unterschiedliche, manchmal geradezu gegensätzliche Bedeutungen. Ist es in den arabischen Ländern und in Nordafrika selbstverständlich, dass zwei gute Männerfreunde Hand in Hand spazieren gehen, würde man sie in Deutschland für ein homosexuelles Paar halten.
Gastfreundschaft
“Mein Haus ist dein Haus” heißt ein bekanntes lateinisches Sprichwort zum Thema Gastfreundschaft – eine Freundschaft auf Zeit, die besonders im Orient, aber auch in den südlichen Ländern Europas, in Afrika und Südamerika geradezu zelebriert wird. Der Gast soll sich “wie zu Hause” fühlen – ohne Pflichten übernehmen zu müssen.
Völkerfreundschaft
Auf dem politischen Parkett wird Freundschaft oftmals verordnet. Unter Sozialisten und Kommunisten begrüßt man sich mit dem Ruf „Freundschaft!“, um den Zusammenhalt untereinander zu demonstrieren. In der DDR übernahm die Jugendorganisation FDJ diesen Gruß. Begegneten sich Staatsführer, küssten sie sich öffentlich. Soll heißen: wir halten zusammen, wir stützen uns gegenseitig, unter uns gibt es keine Konflikte.
Wohngemeinschaft © Thomas Tiefseetaucher, Museumsstiftung Post und Telekommunikation
“Was ist Freundschaft?”
Im Juni 2019 reisen acht Jugendliche aus Berlin in das Museum für Kommunikation Frankfurt, um die Ausstellung “Like you! Freundschaft digital & analog” aus ihrer Perspektive zu dokumentieren. Sie entwickeln das Storyboard, machen Filmaufnahmen, befragen Besuchende und sich gegenseitig. Aus dem so gesammelten Material entsteht ihre Dokumentation. Das Projekt wurde im Rahmen von “Kultur Macht Stark. Bündnisse für Bildung” gemeinsam vom Museum für Kommunikation Berlin, Jugend Film Fernsehen e.V., Kulturhilfswerk e.V. und dem Humanistischen Verband Deutschlands durchgeführt.
Ergebnis des Filmprojektes “Smart im Museum – Eine filmische Dokumentation” als Teil von “Kultur Macht Stark”, 2019
Freunde verlieren tut weh. Keine Freunde haben macht krank. Wissenschaftlich lässt sich das belegen. Aber was bedeutet das für denjenigen, der lieber allein ist oder dessen Lebenssituation es schwer macht, Freundschaften aufrecht zu erhalten? Wie kann es passieren, dass Freundschaften zerbrechen und wie kommt man damit zurecht?
Keine Freunde haben
Wenn man einen gut funktionierenden Freundeskreis hat, ist man zufriedener, körperlich gesünder und hat sogar Chancen auf ein längeres Leben. Dies bewies neulich eine groß angelegte wissenschaftliche Studie in den USA, an der 300.000 Menschen teilnahmen. Über acht Jahre beobachtete man ihren gesundheitlichen Zustand und ihre sozialen Beziehung. Die Ergebnisse lassen keinen Zweifel: Freundschaften stärken das Immunsystem, senken das Risiko für Herz-Kreislauf- Erkrankungen und Depressionen. Der Kontakt zur Familie hat diesen Effekt nicht.
Nicht mitmachen dürfen tut weh
Das hat Prof. Dr. Andreas Meyer-Lindenberg vom Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim mit Hilfe eines virtuellen Ballspiels nachweisen können. Wer länger das Gefühl hat, dass seine Mitspieler ihn ausgrenzen, reagiert mit der Aktivierung eines Hirnareals, das sonst für die Schmerzverarbeitung zuständig ist.
Wer bleibt, wenn alle gehen?
Wenn man verschuldet oder unverschuldet ins Abseits gerät – durch Krankheit, Verlust des Arbeitsplatzes, sozialen Abstieg oder durch eine begangene Straftat. Hat man dann Freunde oder ist man allein?
»Als es mir schlecht ging,
war plötzlich keiner mehr da…«
Wenn Freundschaft sich auseinanderentwickelt
„Jahrelang waren wir zusammen unterwegs. In der Woche haben wir unsere Jobs erledigt und am Wochenende zusammen Spaß gehabt. Shoppen, Tanzen gehen oder auch einfach mal vor der Glotze abhängen. Dann hat Maria ihren späteren Mann kennen gelernt, die beiden haben geheiratet und ziemlich bald ihre Kinder bekommen. Jetzt hat sie kaum noch Zeit und auch ganz andere Themen, die für die wichtig sind. Das macht mir schon zu schaffen. Ich bin richtig eifersüchtig. Das merkt sie, glaube ich. Aber drüber sprechen fällt mir schwer.“
Christiane, 35 Jahre alt
Wenn Freunde erkranken oder sterben
Mit zunehmendem Alter wird der Freundeskreis oft kleiner – weil Freunde und Freundinnen erkranken oder sterben und es weniger Gelegenheiten gibt, neue kennenzulernen. Andererseits ermöglicht es der Zeitgewinn mit Ende der Erwerbstätigkeit je nach körperlicher und geistiger Fitness und sozialer Lage, Freundschaften wiederzubeleben oder neu zu schließen. Viele Senioren sind ehrenamtlich aktiv und gewinnen dabei neue Freunde. Der Verlust enger und bester Freunde ist sowohl emotional als auch praktisch ähnlich schmerzhaft wie der von Familienangehörigen, spielen doch Freunde heute oftmals eine ebenso große Rolle im Leben – indem sie sich beistehen und unterstützen, manchmal auch im Krankheits- oder Pflegefall.
Freundschaft braucht Vertrauen
Das muss zumeist nicht ganz so grenzenlos sein, wie es Friedrich Schiller in seiner berühmten vorromantischen Ballade „Die Bürgschaft“ vom Sommer 1799 beschreibt. Dort ist ein Mann bereit, als Geisel für den zum Tode verurteilten Freund einzustehen. Er liefert sich dem König aus, damit der andere vor der Hinrichtung noch seine Schwester verheiraten kann. Auf dem Rückweg ertrinkt er fast im Fluss, wird von Räubern überfallen und ist dem Tod durch Verdursten nahe. Völlig entkräftet schafft er es nicht, rechtzeitig vor dem Hinrichtungstermin zurück zu sein. Er muss davon ausgehen, dass sein Freund längst an seiner statt getötet wurde. Dennoch kehrt er nicht um.
Aus: Friedrich Schiller, Die Bürgschaft, 1799
Neun Geschichten rund um die Freundschaft
Eine Woche lang haben sich neun Schüler*innen einer Willkommensklasse der Konrad-Wachsmann-Schule in unserer Ausstellung auf Spurensuche begeben. Neugierig, künstlerisch, kreativ und sprachgewandt griffen die Jugendlichen interessante Aspekte auf:
Wo findet man Freund*innen? Bleiben Freundschaften stabil, wenn Flucht oder neue Lebenswege zur Distanz führen
Welche Farbe hat Freundschaft?
Was verbindet Freund*innen?
Sind es Abenteuer, gleiche Interessen, Musik?
Dabei sind nicht nur wunderbare Trickfilme entstanden, nebenbei diente die Auseinandersetzung mit dem Thema “Freundschaft” auch der Sprachförderung.
“Neue Freunde” von Nattaya
“Mein heimlicher Freund” von Arina
“Die Farbe der Freundschaft” von Tien
“Distanz zerstört die Hoffnung nicht” von Fatima
“Freundschaft der verlorenen Jahre” von Aygün
“Die Geigenspielerin auf der Suche nach Freundschaft” von Shehenaz
“Das Abenteuer zweier Freunde” von Kenan
“Freundschaft” von Sherihan
“Mensch ärgere dich nicht” von Khatoon
Besuch
Öffnungszeiten
Dienstag 11 – 20 Uhr Mittwoch bis Freitag 11 – 17 Uhr Samstag, Sonn- und Feiertag 10 – 18 Uhr geschlossen am 24., 25. und 31. Dezember
Eintrittspreise
regulärer Eintritt 6 Euro ermäßigter Eintritt 3 Euro für Teilnehmer/innen an Führungen, Personen mit berlinpass, Studierende, Auszubildende und Gruppen ohne Führung ab 15 Personen freier Eintritt für Kinder und Jugendliche bis einschließlich 17 Jahre, Refugees, betreute Schulklassen allgemeinbildender und beruflicher Schulen, Freitag 9–12 Uhr für Gruppen ab 15 Personen
So erreichen Sie uns
Museum für Kommunikation Berlin Leipziger Straße 16 10117 Berlin-Mitte Telefon +49 (0)30 202 94 0 Telefax +49 (0)30 202 94 111 E-Mail mfk-berlin*mspt.de U-Bahn U2 Haltestelle „Mohrenstraße“ oder U2/U6 Haltestelle „Stadtmitte“ Bus M48, 200, 265